21. Juni 1912
Anton "Toni" Nikolaus Merkens wurde am 21. Juni 1912 im Eigelsteinviertel, inmitten der rheinischen Metropole Köln geboren.
Die Rede ist vom „Mythos“ Eigelstein: wenig wohlständig, jedoch wirtschaftlich und gesellschaftlich höchst aktiv. Hier war das berüchtigte „Milieu“ zu Hause, von großer Welt, zur kleinen Welt, zur Halbwelt. 1926 gründete sich hier Rewe (Rheinland und Westfalen), ab 1931 wurde im Eigelstein „Afri-Cola“ in Flaschen abgefüllt.
Hier wuchs Toni Merkens zusammen mit seinen Brüdern Josef, Heinrich und Peter sowie seiner Schwester Ottilie Im Stavenhof, Hausnummer 20 auf.
Der ältere Bruder Josef „Jupp“ Merkens war begeisterter Amateur-Radrennfahrer, der ab Anfang der 1920er Jahre Rennen bestritt. Vielleicht war das für den jüngeren “Toni” das auslösende Moment, es seinem Bruder gleich zu tun. Köln als Hochburg des Radsports bot beste Voraussetzungen dafür:
Zum Jahreswechsel 1929/30 bestreitet Toni Merkens die ersten Rennen auf der „Winterbahn“ in der Rheinlandhalle, ab 1932 war er Teil der Sprinternational-mannschaft. Im gleichen Jahr wurde er mit Willi Frach deutscher Amateur-meister auf dem Tandem. 1933 errang er die deutsche Meisterschaft im Sprint und wiederholte seinen Erfolg auf dem Zweisitzer, diesmal mit Karl Ungethüm.
1895: Die erste Welt-meisterschaft der Berufs-sprinter und die dritte Weltmeisterschaft der Amateure fand in Köln statt.
1999 - 2001
Das Gebäude des Grundstücks Stavenhof 20 schließt eine ehemalige Baulücke in einer kleinen Seitenstraße am Eigelstein, dem dicht besiedelten Viertel in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Das
Gebiet ist geprägt von schmaler Parzellierung
einer stark heterogenen Bebauung.
(Architekt Brandlhuber)
In diesem Umfeld begann Anton “Toni” Merkens eine Lehre als Zweiradmechaniker in der Fahrradwerkstatt Köthke, nur wenige Hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt, in der Niederichstraße 9.
Fritz Köthke war ein begnadeter Rahmenbauer, Rennfahrer-größen wie Paul Ozmella, Peter Steffens oder der Welt-meister Matthias Engel gingen ein und aus. In dieser radsportbegeisterten Atmosphäre wurde das fahrerische Talent von Toni Merkens entdeckt.
Haus Nr. 9 heute ...
Der Stavenhof um 1929, fotografiert von August Sander.
1934 UCI Track Cycling World Championships
Das Jahr 1934 begann für Toni Merkens vielversprechend, neben Erfolgen auf nationalen Bahnen feierte er auch internationale Triumphe. So gewann er den Großen Preis von Kopenhagen, siegte im Großen Preis von London, fuhr erfolgreich in Paris und konnte bei den Deutschen Meisterschaften in Halle seinen Meistertitel im Sprint verteidigen.
Nun stand vom 10.-19. August 1934 die Weltmeisterschaft in Leipzig-Lindenau an. Das führende Radsportmagazin der „Illustrierte Radrenn-Sport“ schrieb: „Wer Weltmeister werden will, muß Merkens schlagen.“
Die Vorläufe gewann Toni Merkens erwartungsgemäß. Das Halbfinale bestritt der Kölner gegen den holländischen Ersatzmann Arie van Vliet. Was keiner für möglich hielt, passierte, er verlor das Rennen mit „Pauken und Trompeten“. Die Fachpresse sprach vom „Fall Merkens“, ihm wurde vorgeworfen, das Rennen ohne Esprit ohne Gegenwehr verloren zu haben.
Das Heysel-Stadion in Brüssel,
Austragungsort der Bahnradwelt-
meisterschaft 1935.
Ein Blick in den Innenraum,
die für diese Bahn typischen
Langlatten sind gut zu erkennen.
Titelblatt der MATCH L'INTRAN
vom 13. August 1935...
Die Welt-
meisterschafts-
medaille...
Nur der Weltmeister darf das Trikot mit den typischen Regenbogenfarben tragen, hier das Original-Dress von Toni Merkens.
Das Plakat zur
Weltmeisterschaft.
Fast auf den Tag ein Jahr später
standen sich beide Kontrahenten
ein weiteres Mal bei einer WM
gegenüber, diesmal auf der Langlatten-
bahn im Brüssler Heysel-Stadion
im Endlauf über die 1000-m- Strecke.
Überschwänglicher Jubel bei
den deutschen Offiziellen, ebenso
große Freude im Kölner Eigelstein-
viertel.
Die Rückkehr nach Köln beschrieb
der „Illustrierte Radrenn-Sport“ (15. Jahrgang, Nr. 68) wie folgt: „Dann
zog der Festzug, der von der Kapelle Hermann Schmidt angeführt wurde,
durch die Stadt, zu dem bekannten Stadtviertel „Stavenhof“, wo sich die elterliche Wohnung befindet. Hier findet man kein Haus, das keine Fahnen- und sonstigen Schmuck trägt. Noch nie ist
ein Sohn der Stadt in so herzlicher
Weise von seinen eigenen Landsleuten empfangen worden, wie Toni Merkens,
der sich in diesem Stadtteil besonderer Beliebtheit erfreut.“
Nun ging es in den finalen Durchgang.
Arie van Vliet bekam die taktische
Weisung, in der Mitte der Bahn zu
bleiben, um etwaige Attacken auf
der Innenseite zu kontern. Doch
genau das gelang Merkens. In einem
kurzen Moment der Unachtsamkeit
schoss Merkens nach unten und zog
deutlich davon. Der Niederländer
gab sich nicht geschlagen. In einem
letzten Kraftakt warft van Vliet sein Vorderrad nach vorne, aber es
reichte nicht.
Vor 50.000 Zuschauern wurde
der erste von drei möglichen
Durchgängen gestartet. Van Vliet
ging als Führender in die Schlussrunde.
300 Meter vor dem Ziel griff
Merkens an, verharrte aber zu
lange an van Vliets Hinterrad.
Das erste Rennen ging an den
Niederländer.
Im zweiten Durchgang startete
Merkens hoch konzentriert. 200 m
vor der Ziellinie trat van Vliet zum
Sprint an, Merkens konterte. Am
Ausgang der letzten Kurve lagen
beide Fahrer gleich auf. Doch
Merkens konnte das Tempo halten,
er zog an van Vliet vorbei und
gewann den zweiten Lauf.
Anton „Toni“ Merkens wird Weltmeister
über die 1000-Meter-Sprintstrecke.
OLYMPISCHE SPIELE
BER
LIN
In der Folge duellierten sich die beiden auf fast allen Bahnen Europas, mal siegte Merkens mal van Vliet. So ging es zu den Olympischen Spielen 1936 nach Berlin, abermals Finale.
Im ersten Lauf sprintete Merkens von der Spitze. In der Zielkurve griff van Vliet an, beide waren gleich auf, als Merkens den Lenker verriss. Van Vliet musste nach oben ausweichen, dieser gab das Rennen auf und hob protestierend die Hand.
Der offizielle Bericht der Olympischen Spiele schreibt dazu: „Ein Protest von van Vliet im ersten Lauf wegen Behinderung durch Merkens wurde vom Renngericht abgelehnt, jedoch wurde Merkens wegen Verlassens der Fahrlinie in eine Geldstrafe von 100 Goldfranken genommen.“
Den zweiten Lauf dominierte der Kölner, Merkens gewann mit einer halben Länge Vorsprung auf van Vliet - Olympiasieg.
Und wieder berichtete der ehemals „Illustrierte Radrenn-Sport“, jetzt nationalsozialis- tisch korrekt umbenannt in „Der Deutsche Radfahrer“ (Nr. 47, 25. August 1936): „Die Radfahrerfreunde geleiten ihn… Am Eigelsteintor, wo die Wiege vieler Kölner Meisterfahrer gestanden hat, wickelt sich der Höhepunkt des Empfanges ab. Seine Heimatstraße glich einem Blumenmeer. Girlanden zogen sich bis an die Dächer der Häuser, die alle festlich illuminiert waren.“
Gold im Sprint, hier die Originalmedaille von Merkens.
Für den Olympiasieger gab es neben der Medaille noch ein "Ehrendiplom".
Tagesprogramm der Olympische Spiele in Berlin,
6. August 1936..., links Merkens.
Eiin Glückwunschtelegramm an "Toni Merkens Stavenhof Köln".
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]
DAS ENDE
Nach den Olympischen Spielen wechselte Merkens ins Profilager, neben seinen Rennen auf der Sprint-strecke versuchte er sich nun auch bei Steherrennen (das Fahren hinter einem Motorrad mit dauerhaft hohem Tempo über längere Distanz). Zusammen mit seinem Bruder Josef machte er erste Versuche auf der Kölner Bahn in Riehl. Diese wurden zur allgemeinen Zufriedenheit be-
standen und so startete Merkens auch in dieser Disziplin. Im Jahr 1940 wurde er mit Arnulf Meinhold Deutscher Meister über die 100-km- Distanz.
Seinen letzten Meistertitel errang er bei der „Deutschen Kriegs - Flieger-meisterschaft“ im Jahr 1942, die bezeichnenderweise in Wien stattfand.
Der Krieg rückte näher, auch für Toni Merkens. Wohl einer seiner letzten Rennen bestritt Merkens am 29. November 1942 in der Deutschland-
halle in Berlin. Danach galt auch für ihn die allgemeine Mobilmachung.
Anton Nikolaus Merkens verstirbt
am 20. Juni 1944 plötzlich und unerwartet an einer Hirnhaut-entzündung.
Im Jahr 1943 wurde er mit seinem Truppenteil an die Ostfront versetzt. Dort wurde er schwer verwundet, ein Granatsplitter traf ihn zwischen Herz und Lunge. Nach einer Erstversorgung in Ostrau ging es zurück nach Köln und dann zur weiteren Genesung in die Kurstadt Wildbad im Schwarzwald.
Epilog
Nach zahlreichen Telefonaten mit der Kölner Friedhofsverwaltung erfuhr ich, dass Toni Merkens auf dem Kölner Südfriedhof, Flurstück 4355, beigesetzt wurde.
Die Grabstätte wurde Anfang der 1970er Jahre eingeebnet.
Diese Webseite ist eine Abschluss-
arbeit von Gregor Baldrich für museOn, ein Projekt der Freiburger
Akademie für Museums-, Aus-
stellungs- und Sammlungswissen (FRAMAS) der Albert-Ludwig- Universität Freiburg in Kooperation mit den Städtischen Museen der Stadt Freiburg //
Across Cologne / Part 1
Across Cologne / Part 2
semester 2016
Sommer-
Quellen: